Vorbereitung auf ein Beratungsgespräch mit blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen

Einige Anregungen aus der Selbsthilfe blinder und sehbehinderter Menschen

Sie wissen aus den Unterlagen, dass Sie einen Gesprächstermin mit einem sehbeeinträchtigten, d. h. blinden, hochgradig sehbehinderten oder sehbehinderten Ratsuchenden, Klienten, Anspruchsberechtigten, Kunden haben. Oder Sie stellen erst bei der Begrüßung oder im Gespräch fest, dass beim Besucher eine solche Sinnesbehinderung vorliegt.

Nicht wenige sehbehinderte Menschen, besonders solche, deren Behinderung noch nicht lange andauert, vermeiden den offenen Umgang damit, kennzeichnen sich nicht. Sie können noch nicht selbstbewusst mit Ihrer Behinderung umgehen. Deshalb: Weil Sie ja kein Experte in Sachen Sehbeeinträchtigung sein müssen, gilt generell die Goldene Regel: Sprechen Sie den Besucher auf Ihren persönlichen Eindruck von seiner Beeinträchtigung an und bitten Sie ihn um Unterstützung bei der Herstellung einer positiven Gesprächssituation, weil Sie selbst keine oder nur wenig Erfahrungen mit blinden und sehbehinderten Menschen haben. Wenn Sie die Behinderung Ihres Gegenübers offen ansprechen und seine Unterstützung erbitten, dann signalisieren Sie ihm, dass Sie ihn ernst nehmen, so wie er ist. Und Sie machen die Gestaltung des Gesprächs zu Ihrem gemeinsamen Thema. Das ist inklusiv.

Nicht gleich bei der Begrüßung, aber bald danach: Bitten Sie Ihren Besucher, Ihnen einen Eindruck von seiner individuellen Behinderung zu vermitteln: „Damit ich mich ein wenig in Ihre Situation hineindenken kann, schildern Sie mir bitte, was Sie optisch wahrnehmen können, z.B. wie Sie sich orientieren, was Sie selbst gut erledigen können, wo Sie Schwierigkeiten haben.“ Sehbeeinträchtigungen sind außerordentlich individuell ausgeprägt. Dementsprechend spezifisch sollten die Beratungsziele und Fördermöglichkeiten.

Je mehr Informationen Sie im Vorfeld des Gesprächs über die Behinderung Ihres Besuchers haben, desto besser können Sie sich natürlich auf der Sachebene über die vorliegende Augenerkrankung, die benutzten Hilfsmittel, mögliche weitere Einschränkungen aber auch über die spezifischen Fördermöglichkeiten informieren.

Anregungen im Detail:

  • Wenn Sie rechtzeitig wissen, dass Ihr Besucher blind oder sehbehindert ist: Verabreden Sie mit ihm einen für ihn leicht zugänglichen und eindeutig erkennbaren Treffpunkt im Eingangsbereich, organisieren Sie eine Begleitung im Haus.


  • Klären Sie im Vorfeld, ob die Dokumente, die Sie Ihrem Besucher mitgeben wollen, in barrierefreier digitaler Form vorhanden sind. Diese können Sie ihm per Mail zukommen lassen. Bei barrierehaltigen (Papierformulare) Dokumenten müssen Sie mit dem Besucher klären, wie er diese mit Ihrer oder anderer Menschen Hilfe lesen und bearbeiten kann oder ob er über geeignete Hilfsmittel wie Leselupe oder Scanner verfügt.


  • Der Besucher könnte einen Führhund mitbringen. Wäre das in Ihrem Besprechungsraum möglich? Wenn nicht, suchen Sie nach räumlichen Alternativen. Wenn möglich, bieten Sie dem Besucher an, seinem Hund Wasser zu besorgen (ein entsprechendes Gefäß hat der Besucher sicher dabei).


  • Wenn der Besucher eine Assistenz- oder Begleitkraft zur Unterstützung mitbringt, bitte denken Sie im Gespräch daran, den Besucher immer direkt anzusprechen, nicht etwa ersatzweise den sehenden Begleiter. Es kann gute Gründe geben, mit dem Besucher ganz oder phasenweise „unter vier Augen“ zu sprechen. Teilen Sie das Besucher und Begleitung einfach offen mit. Der sehbeeinträchtigte Mensch ist Ihr Besucher, Ihr wichtiger Gesprächspartner nicht die unterstützende Begleitung.


  • Skizzieren Sie blinden und hochgradig sehbehinderten Besuchern den Besprechungsraum. Beschreiben Sie möglichst genau: Ihr Stuhl steht etwa zwei Meter halb rechts vor Ihnen (auf zwei Uhr), auf dem Tisch steht in Armlänge direkt vor Ihnen (12 Uhr) ein Glas Wasser, die Bescheinigung liegt direkt vor Ihnen (auf 6 Uhr) auf dem Tisch, Ihren Mantel habe ich gleich neben der Eingangstür rechts an die Garderobe gehängt.


  • Sehbehinderte Besucher sollten Sie fragen, ob sie mit den gegebenen Lichtverhältnissen klarkommen. Ggf. müsste verdunkelt, ein Platz getauscht oder das Licht an oder ausgemacht werden.


  • Stellen Sie sich mit Namen und Funktion vor, wenn Sie Platz genommen haben, damit der blinde oder hochgradig sehbehinderte Besucher die sprechende Person mit Stimme und Richtung verbinden kann. Mögliche andere im Raum befindliche Menschen sollten sich deshalb selbst vorstellen.


  • Antworten Sie Ihrem sehbeeinträchtigten Besucher immer verbal. Ein Lächeln, Kopfschütteln, Nicken kann er höchstwahrscheinlich nicht wahrnehmen. Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Ihr Besucher Ihren Blickkontakt, Ihr Lächeln nicht erwidert. Sie wissen: Das ist kein böser Wille.


  • Teilen Sie Ihrem blinden oder hochgradig sehbehinderten Besucher mit, wenn Sie den Raum verlassen, Ihre räumliche Position ändern oder zurückkehren. Er kann Sie sonst nicht (richtig) wahrnehmen.


  • Führen Sie blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, indem Sie ihnen Ihren Arm zum Festhalten anbieten und gehen Sie leicht versetzt vor ihnen her. Weisen Sie mündlich rechtzeitig auf Hindernisse oder Gefahrenquellen hin: „Erste von fünf Treppenstufen nach oben einen halben Meter vor Ihnen, ich drücke für uns eine Pendeltür nach rechts auf, wir betreten einen Fahrstuhl, Sie betreten jetzt die letzte Treppenstufe etc.“


  • Wenn ein Toilettenbesuch gewünscht wird, versuchen Sie die Begleitung durch eine gleichgeschlechtliche Person zu ermöglichen. Führen Sie den Besucher in den Toilettenraum. Schildern Sie ihm grob die Örtlichkeit, Waschbecken, Trockner, Pissoirs, Kabinen. Weisen Sie ihn auf mögliche Besonderheiten wie selbstreinigende Toiletten, Notfalltasten, besondere Trockner hin. Bieten Sie an, im Vorraum oder auf dem Flur vor der Toilette zu warten.


Ausführlichere praktische Hinweise für eine partnerschaftliche Kooperation mit blinden und sehbehinderten Menschen finden Sie auch in den Broschüren:

  • Keine Panik - Praxisleitfaden für Weiterbildungsveranstaltungen mit blinden und sehbehinderten Menschen: entwickelt 2019 im Rahmen des Projekts iBoB und downloadbar unter weiterbildung.dvbs-online.de/infothek.html als download verfügbar.
  • Nicht so – sondern so: Kleiner Ratgeber für den Umgang mit blinden Menschen : Die DBSV-Broschüre ist im Web unter www.dbsv.org/broschueren.htm#umgang verfügbar


Weitere Informationen: Umgang und Kommunikation mit blinden und sehbehinderten Menschen