Kurzsichtigkeit

Als Kurzsichtigkeit (Myopie) bezeichnet man das Unvermögen, scharf in die Ferne sehen zu können, während das Nahsehen problemlos möglich ist. Kurzsichtigkeit ist zuvorderst eine Fehlsichtigkeit, aber eine starke Kurzsichtigkeit (hohe Myopie) von -6 Dioptrien oder mehr hat Krankheitswert. Ursache der Kurzsichtigkeit ist in Jedem Falle eine fehlende Abstimmung der Baulänge des Auges und der Brechkraft seiner brechenden Medien, zu denen vor Allem Hornhaut und Linse gehören. Dafür kann es zwei Gründe geben:

  • Einen zu langen Augapfel (Achsenmyopie) oder
  • eine zu starke Krümmung von Hornhaut oder Linse (Brechungsmyopie).

Von Kurzsichtigkeit sind 25-35 % aller Menschen in Deutschland betroffen - Tendenz steigend. Neben genetischen Faktoren können auch Umweltbedingungen wie zu wenig Aufenthalt im Freien (Mangel an hellem, natürlichem Licht) eine Kurzsichtigkeit begünstigen.

Ursachen

Emmetropie und Ametropie

Verantwortlich dafür, dass sowohl sehr nahe als auch sehr weit entfernte Objekte auf der Netzhaut scharf abgebildet und somit auch scharf gesehen werden können, sind intakte lichtbrechende Strukturen (brechende Medien) im Auge und ein regelrechter Bau des Augapfels. Die brechenden Medien des Auges werden zusammenfassend als dioptrischer Apparat bezeichnet. Die durch einen regelrechten Bau des Augapfels und einen funktionierenden dioptrischen Apparat sichergestellte „Normalsichtigkeit“ wird in der Fachsprache Recht-Sichtigkeit (Emmetropie) genannt. Dieser werden verschiedene Formen der Fehlsichtigkeit (Ametropie) gegenübergestellt, zu denen auch die Kurzsichtigkeit gehört.

Die beiden Linsen des dioptrischen Apparats sind die Hornhaut und die Augenlinse. Um einerseits nahe, andererseits aber auch entfernte Objekte scharf auf der Netzhautmitte abbilden zu können muss das Auge in der Lage sein, seine Brechkraft verändern zu können. Hierfür wird die Form der Linse angepasst - die Gestalt der Hornhaut kann nicht aktiv variiert werden. Die aktive Brechkraftveränderung der Linse ist der wichtigste Aspekt der flexiblen Anpassung des Auges an Nah- und Fernsicht - der Fachbegriff hierfür lautet Akkommodation. Die Form der Linse wird über einen speziellen Muskel, den Strahlenkörper- oder Ziliarmuskel reguliert.

Die Verhältnisse im regelgerecht gebauten Auge

Im Regelfall (Rechtsichtigkeit, Emmetropie) sind die Länge des Augapfels einerseits und die Brechkraft von Hornhaut und Linse andererseits so aufeinander abgestimmt, dass weit entfernte Objekte bei entspanntem Ziliarmuskel scharf gesehen werden. Das Auge ist dann „auf Fernsicht eingestellt“ (fernakkommodiert). Die Brechkraft des optischen Systems ist dabei minimal. Erreicht wird dies dadurch, dass die Linse in diesem Zustand eine abgeplattete Form einnimmt. Verantwortlich hierfür sind die sogenanten Zonulafasern, mit denen die Linse am Strahlenkörper aufgehängt ist. Bei entspanntem Ziliarmuskel zwingt der starke Zug der Zonulafasern die Linse in diese flache und damit schwach lichtbrechende Form.

Will der Betrachter nahe Objekte scharf sehen, muss das Auge die Brechkraft seines optischen Systems erhöhen - und zwar um so stärker, je näher ihm der anvisierte Gegenstand ist. Dies wird durch eine Anspannung des Ziliarmuskels erreicht. Mit zunehmender Anspannung lockert sich nämlich der Zug der Zonulafasern auf die Linse. Diese kann dann mehr und mehr ihre natürliche, kugelförmige, stärker lichtbrechende Gestalt annehmen - das Auge ist nahakkommodiert.

Die Verhältnisse im kurzsichtigen Auge

Das kurzsichtige Auge verfügt selbst bei völlig entspanntem Ziliarmuskel über zu viel Brechkraft, um weit entfernte Objekte scharf sehen zu können. Ein scharfes Bild entsteht dann nicht direkt auf, sondern bereits vor der Netzhaut - irgendwo auf der Strecke zwischen Linse und Netzhaut. Um das scharfe Bild „nach hinten auf die Netzhaut zu holen“, müsste die Brechkraft des Auges reduziert werden, was aber beim Vorliegen von Kurzsichtigkeit auf natürlichem Wege nicht möglich ist. Verantwortlich für die zu starke Brechkraft können zwei Umstände sein:

  • Ein zu langer Augapfel, bei dem der Abstand zwischen Linse und Netzhaut zu groß ist (Achsenmyopie),
  • eine zu stark gekrümmte Hornhaut oder eine zu stark gekrümmte Linse (Brechungsmyopie).

Kurzsichtige Personen sehen nahe Objekte deshalb scharf, weil Nahsehen eine hohe Brechkraft erfordert, die im kurzsichtigen Auge von Natur aus vorhanden ist.

Korrektur durch Sehhilfen

Die von der Kurzsichtigkeit verursachte zu starke Brechkraft eines optischen Systems kann durch die Hinzunahme einer Zerstreuungslinse vermindert werden. Betroffene können der Kurzsichtigkeit also durch das Tragen von Brillen mit Minusgläsern (Fernbrillen) oder Kontaktlinsen mit Zerstreuungsfunktion entgegenwirken und sie im Idealfall damit ausgleichen. Eine zerstreuungslinse ist nach innen (konkav) gewölbt. Ihre Brechkraft ist negativ, weil der Brennpunkt nicht vor, sondern hinter der Linse liegt. Bei optimaler Anpassung wird den Lichtbrechenden Medien durch die Brille bzw. die Kontaktlinsen des Auges gerade so viel Brechkraft genommen, dass weit entfernte objekte nicht vor, sondern direkt auf der Netzhaut scharf abgebildet werden.

Schweregrade und Formen

Das Ausmaß der Kurzsichtigkeit wird in Dioptrien (dpt) gemessen, also als Wert der negativen Brechkraft, die ein Brillenglas oder eine Kontaktlinse haben muss, um die überschüssige positive Brechkraft des Auges so zu korrigieren, dass Bilder von weit entfernten Objekten scharf auf der Netzhaut abgebildet werden. Die Stärke der Kurzsichtigkeit ist in die drei folgenden Kategorien eingeteilt:

  • Leichte Kurzsichtigkeit: -3 dpt oder weniger.
  • Mittelstarke Kurzsichtigkeit: Zwischen -6 und -3 dpt.
  • Starke Kurzsichtigkeit (Myopia magna): -6 dpt und mehr.

Formen und Verläufe

  • Die in der Regel genetisch bedingte „einfache Myopie“ (Myopia Simplex) tritt zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr auf und nimmt bis zu einem Alter von etwa 25 bis 30 Jahren zu. Da sie sich meist erstmals im Schulalltag auswirkt, wird sie auch als Schulmyopie bezeichnet, obwohl zwischen Schule und Kurzsichtigkeit kein ursächlicher Zusammenhang besteht. Eine weitere Bezeichnung für die einfache Kurzsichtigkeit ist „benigne“ (gutartige) Myopie, da sie nur gering bis mittelgradig ausgeprägt ist und sich mit Brillen oder Kontaktlinsen gut korrigieren lässt.
  • Birgt eine starke Kurzsichtigkeit das Risiko weiterer Folgeerkrankungen des Auges, wird sie als pathologische oder maligne (bösartige) Myopie bezeichnet und ist als Augenerkrankung anerkannt.

Risiken durch Kurzsichtigkeit

Bei einer stark ausgeprägten Achsenmyopie stehen die empfindlichen Gewebe im zu lang gebauten Augapfel oft unter erhöhter Spannung und sind dünnwandiger. Davon betroffen ist vor Allem die Netzhaut. Dadurch steigt das Risiko von Netzhautlöchern (Makulaforamen) oder einer Netzhaut-Ablösung. Auch ist das Risiko für einen grünen Star erhöht.

Behandlung

  • Ein zu langer Augapfel, der die häufigste Form der Kurzsichtigkeit, die Achsenmyopie, verursacht, kann ursächlich nicht behandelt werden.
  • Die Anwendung chirurgischer Verfahren an den lichtbrechenden Strukturen des Auges wird als refraktive Chirurgie bezeichnet.
    • Entsteht die Kurzsichtigkeit durch zu starke Krümmung der Hornhaut, kann deren Brechkraft mittels eines Lasers durch Abtragen der Hornhaut verringert werden. Als häufigste Methode wird hierbei das LASIK-Verfahren verwendet.
    • Ist eine zu stark gekrümmte Linse die Ursache der Kurzsichtigkeit, kann eine intraokulare Kunstlinse die gewöhnliche Brechkraft des Auges wiederherstellen.

Zahlen und Fakten

In Deutschland sind zwischen 25 und 35 % aller Personen von Kurzsichtigkeit betroffen. Die Tendenz ist steigend, da bereits etwa 50 % der deutschen Kinder und Jugendlichen Kurzsichtig sind. Von einer hohen Myopie (starke Kurzsichtigkeit von mehr als 6 Dioptrien) sind 7 bis 9 Prozent aller kurzsichtigen Personen betroffen. Im asiatischen Raum sind mancherorts 9 von 10 Menschen kurzsichtig.

Weiterführende Informationen

Filme und Simulationen