Tunnelblick

Der Tunnelblick (auch als Flintenröhrenblick oder Röhrenblick bezeichnet), ist eine kreisförmige (konzentrische) Einengung des Gesichtsfelds, die vor Allem mit Augenerkrankungen wie Retinitis pigmentosa (RP) und Glaukom, also dem „Grünen Star“, einhergeht. Da es sich um eine Einschränkung des Gesichtsfelds und nicht um eine Art zu blicken oder gar eine Blickstörung handelt, wird statt von einem „Tunnelblick“ besser von einem Tunnelgesichtsfeld oder einem Röhrengesichtsfeld gesprochen. Das Gesichtsfeld Betroffener ist auf einen mittleren Bereich eingeschränkt, der sich mit einem Blick durch eine Röhre oder durch einen Tunnel näherungsweise veranschaulichen lässt.

Häufigste Ursache eines Röhrengesichtsfelds ist das Absterben der für den äußeren Gesichtsfeldbereich zuständigen Sehzellen der Netzhaut, so dass sich das Gesichtsfeld auf die inneren (zentralen) Regionen einengt. Schreitet die Grunderkrankung fort, so engt sich das Röhrengesichtsfeld mehr und mehr ein.

Sehfähigkeit

Etwas vereinfacht ausgedrückt, sind für die äußeren (peripheren) und die inneren (zentralen) Regionen des Gesichtsfelds zwei verschiedene Typen von Sehzellen zuständig: In den Außenregionen der Netzhaut finden sich ausschließlich Sehzellen vom Typ der Stäbchen. Diese sind sehr lichtempfindlich und gut geeignet, Bewegung in der Dämmerung wahrzunehmen. Allerdings liefern sie keine Farbinformation und stehen nicht sehr dicht, so dass die Sehschärfe eines augengesunden Menschen in den Randbereichen des Gesichtsfelds lediglich knapp 10 % beträgt. Die Netzhautmitte hingegen ist von den sogenannten Zapfen besiedelt, die für das Sehen von Farben und Details bei hellem Tageslicht verantwortlich sind. Zapfen sind sehr klein und stehen in der Netzhautmitte, der Macula, besonders dicht. Die unbeeinträchtigte Netzhaut hat dort ihre größte Sehschärfe.

Personen mit Röhrengesichtsfeld verfügen über keine Stäbchen mehr. Dies hat drei wesentliche Konsequenzen:

  1. Orientierungsschwierigkeiten: Ein Röhrengesichtsfeld ist nicht nur nach außen hin eingeengt; den Betroffenen fehlen zudem gerade diejenigen Sehzellen, die auf die Wahrnehmung von Bewegung spezialisiert sind. Beide Umstände führen zu Mobilitätseinschränkungen, weil herannahende Fahrzeuge und Personen und auch diejenigen Hindernisse wie Pfähle und Stufen, denen sich die Person nähert, verzögert oder gar zu spät gesehen werden. Das Risiko, auf einem Gehweg zu stolpern und mit anderen Personen zusammenzustoßen, ist genauso erhöht wie die Unfallgefahr beim Überqueren von Straßen.
  2. Nachtblindheit: In der unbeeinträchtigten Netzhaut geht bei zunehmender Dunkelheit die Sehaufgabe von den lichtunempfindlicheren Zapfen auf die empfindlicheren Stäbchen über. Stehen nun aber - wie bei Menschen mit Röhrengesichtsfeld - keine Stäbchen für das Sehen bei fortgeschrittener Dämmerung und Dunkelheit zur Verfügung, ist Nachtblindheit die Folge.
  3. Intaktheit des „erkennenden“ Sehens: Bei einem Röhrengesichtsfeld ist die Netzhautmitte (Macula) weitgehend unbeeinträchtigt. Die Macula ist der Bereich des scharfen Sehens. Gegenstände, die die Betroffenen direkt anschauen (fokussieren), werden klar und deutlich erkannt. Insbesondere ist Lesen nach wie vor möglich.

Die „blinden Zeitungsleser“

Ein Röhrengesichtsfeld führt zu massiven Problemen beim „orientierenden“ Sehen, lässt aber das „erkennende“ Sehen intakt. Personen, die das Symptom des Röhrengesichtsfelds nicht kennen, halten Betroffene oft für Simulanten, wenn diese sich beispielsweise zunächst In einem Park den Weg zu einer Sitzbank mit Hilfe eines Blindenlangstocks ertasten, dann aber ohne einsatz eines optischen Hilfsmittels die Tageszeitung lesen.

Der Seheindruck bei Gesichtsfeldeinschränkungen

Die Begriffe „Tunnel“ und „Röhre“ vermitteln den Eindruck, Betroffene würden außerhalb des noch intakten Gesichtsfelds „schwarz“ oder „dunkel“ sehen. Auch in der Literatur wird eine von außen nach innen fortschreitende Gesichtsfeldeinschränkung, wie sie beispielsweise bei der Retinitis pigmentosa auftritt, immer wieder so beschrieben, als würden sich immer mehr und immer größere „schwarze Flecken“ am Rande des Gesichtsfelds anhäufen. Dieser Seheindruck entsteht zwar bei normalsichtigen Personen, die ein Röhrengesichtsfeld beispielsweise anhand des Blicks durch eine Pappröhre nachvollziehen möchten, aber die Wahrnehmung eines tatsächlich betroffenen Menschen ist anders: Die beim Tunnelblick vorliegenden Einschränkungen des Gesichtsfelds sind „negativ“, das heißt, sie verursachen keinerlei Seheindruck, also auch keinen Eindruck von „schwarz“. In den äußeren Gesichtsfeldregionen „ist einfach nichts“ - auch kein Schwarz. Diese Tatsache trägt dazu bei, dass beginnende Gesichtsfeldausfälle insbesondere beim Vorliegen eines Glaukoms (grüner Star) oft erst dann bemerkt werden, wenn die Erkrankung schon so weit fortgeschritten ist, dass ein Großteil des Sehnervenkopfs unwiderbringlich geschädigt ist. Dazu kommt, dass das Gehirn in der Lage ist, die über die intakten Gesichtsfeldbereiche gewonnenen unvollständigen Seheindrücke zu ergänzen und als realistisches (Trug)bild in die ausgefallenen Randregionen der Netzhaut fortzusetzen.

Nützliche Hilfsmittel und Arbeitstechniken

Hilfsmittel und Arbeitstechniken müssen unbedingt vor dem Hintergrund einer professionell durchgeführten Gesichtsfeldmessung (Perimetrie) empfohlen werden. Folgende allgemeine Empfehlungen können gegeben werden:

  • Arbeits- und Wohnräume sollten Hell und blendfrei beleuchtet sein,
  • trotz hoher zentraler Sehschärfe sollte wegen des stark eingeschränkten Gesichtsfelds ein Mobilitätstraining mit einem Blindenlangstock erwogen werden.