Frühgeborenenretinopathie

Die Frühgeborenen-Retinopathie ist eine Netzhautschädigung. Sie entsteht durch eine Störung bei der Ausreifung der Blutgefäße der Netzhaut als Folge der Frühgeburt. Sie wird in fünf Schweregrade eingeteilt. Milde Formen können sich bei intensiver medizinischer Betreuung zurückbilden, so dass keine bleibenden Seheinschränkungen entstehen. Bei starken Ausprägungen wuchern Unkontrolliert wachsende, schadhafte Gefäße bis in den vor der Netzhaut liegenden Glaskörper. Dadurch können Netzhautblutungen, Flüssigkeitseinlagerungen und eine Netzhaut-Ablösung entstehen. Die Frühgeborenen-Retinopathie zählt in den Industrienationen zu den drei häufigsten Erblindungsursachen im Kindesalter. Häufig wird die Frühgeborenen-Retinopathie mit einem zu frühzeitigen Sauerstoff-Überangebot erklärt. Faktoren wie geringes Geburtsalter, niedriges Geburtsgewicht, verlangsamte nachgeburtliche Gewichtszunahme und weitere Beeinträchtigungen durch die Frühgeburt erhöhen jedoch die Erkrankungswahrscheinlichkeit zusätzlich. Ein Synonym für die Frühgeborenen-Retinopathie ist retrolentale Fibroplasie (RLF). Im Englischen heißt die Erkrankung Retinopathy of Prematurity (ROP); ihre lateinische Bezeichnung ist Retinopathia Praematurorum (RPM).

Ursachen

Gewöhnlich wird das Auftreten einer Frühgeborenenretinopathie mit einer Sauerstoff-Überversorgung wie folgt erklärt:

  • Die Bildung der Blutgefäße in der Netzhaut beginnt beim Fötus in der 16. Schwangerschaftswoche. Die ersten Gefäße werden in der Netzhautmitte angelegt, danach schreitet die Gefäßbildung von den inneren zu den äußeren Netzhautbereichen fort.
  • Ein starker Antrieb für die Gefäßbildung ist eine natürliche Sauerstoff-Unterversorgung (Hypoxie) im Blut des Fötus. Bis zum regulären Geburtstermin in der 40. Schwangerschaftswoche sind in der Regel auch die Netzhaut-Randbereiche ausreichend mit Gefäßen versorgt. Das vergrößerte Sauerstoffangebot, das dem Neugeborenen ab dem ersten selbständigen Atemzug zur Verfügung steht, kann die Gefäßentwicklung der Netzhaut nicht mehr stören.
  • Eine Schwangerschaft dauert im Durchschnitt 40 Wochen (gemessen am ersten Tag der letzten Menstruationsperiode der Mutter). Ein Baby gilt als frühgeboren, wenn es in der 37. Schwangerschaftswoche oder früher zur Welt kommt.
  • Ein frühgeborenes Baby atmet bereits dann die sauerstoffreiche Umgebungsluft, wenn das Gefäßwachstum der Netzhaut noch gar nicht abgeschlossen ist. Ein hoher Sauerstoffgehalt im Blutkreislauf ist für die Netzhautgefäße jedoch das Signal, ihr Wachstum einzustellen. Besonders nachdrücklich ist dieses Signal für den Wachstums-Stopp der Netzhautgefäße dann, wenn das Frühgeborene aus medizinischen Gründen eine Atemunterstützung erhält und dabei der Sauerstoffgehalt zu hoch ist. Diese Komplikation ist mittlerweile jedoch äußerst selten.
  • Hören die Blutgefäße infolge des großen Sauerstoffangebots zu früh mit ihrem Wachstum auf, bleiben insbesondere die Randbereiche der Netzhaut gefäßlos.
  • Gefäßlose Netzhautregionen werden nicht ausreichend mit Sauerstoff und nährstoffen versorgt. Der dadurch entstehende Sauerstoffmangel führt dazu, dass die unterversorgten Gewebe als Reaktion einen speziellen chemischen Botenstoff ausschütten, der das Gefäßwachstum (wieder) anregt. Bei dieser Substanz, die auch bei der Ausbildung der feuchten Form der Altersabhängigen Makula-Degeneration eine Rolle spielt, handelt es sich um den Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor).
  • Die Gefäße, die sich als Reaktion auf die Anwesenheit des VEGF hin bilden, sind jedoch von Beginn an schadhaft und können ihre Funktion der Nährstoffversorgung nicht erfüllen - im Gegenteil: Statt die Netzhaut an den notwendigen Stellen mit Nährstoffen zu versorgen, richten die porösen neuen Gefäße Schäden an, denn sie können im Extremfall unkontrolliert bis in den vor der Netzhaut liegenden Glaskörper hineinwuchern. Unbehandelt führt dies zu Netzhautblutungen, Flüssigkeitseinlagerungen in der Netzhaut und zu Netzhaut-Ablösung und damit zu bleibenden schweren Seheinschränkungen.

Dieses Erklärungsmodell greift jedoch zu kurz. Es wird immer offensichtlicher, dass Faktoren wie ein zu geringes Geburtsgewicht, verzögerte Gewichtszunahme nach der Geburt und ein schlechter allgemeinmedizinischer Zustand des Neugeborenen bei der Ausbildung einer Frühgeborenenretinopathie eine wichtige Rolle spielen.

Nützliche Hilfsmittel und Arbeitstechniken

Die bleibenden Seheinschränkungen infolge einer Frühgeborenen-Retinopathie sind von Fall zu Fall äußrst unterschiedlich. Deshalb darf sich die Empfehlung sehbehinderten- bzw. blindenspezifischer Hilfsmittel und Arbeitstechniken nicht an der Diagnose orientieren. Vielmehr müssen Hilfsmittel und Arbeitstechniken auf das aktuelle Sehvermögen - vor Allem Sehschärfe und Gesichtsfeld - sowie die individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz zugeschnitten sein. Dies bedeutet auch, dass Sehhilfenanpassungen und Hilfsmittelberatungen nach einer Veränderung des Sehstatus oder des Tätigkeitsprofils unbedingt wiederholt werden sollten. Die folgenden Aussagen sind deshalb nur als allgemeine Leitsätze zu verstehen und ersetzen in keinem Fall eine individuelle Low Vision- oder EDV-Beratung:

Zahlen und Fakten

In Deutschland werden pro Jahr etwa 500 Frühgeborene aufgrund einer Frühgeborenen-Retinopathie behandelt.

Weiterführende Informationen